Deutsche Geschichte

Die Gründungszeit

Bipis ‘Scouting for Boys’ weckte Interesse deutscher Jugendlicher. Die Bearbeitung durch Dr. Alexander Lion 1909 und ein Wanderlager englischer Pfadfinder führten zur Gründung vieler Pfadfindergruppen.
In dieser Phase der geschichtlichen Entwicklung wird das Pfadfindertum in Deutschland als Hilfe für die militärische Ertüchtigung missverstanden. Der Modellcharakter im sozialen und ethischen Bereich wird kaum beachtet oder durch nationalistisches Gedankengut eingeengt.
Im Gegensatz zur englischen Pfadfinderbewegung war die deutsche weniger durchorganisiert und unterschied sich von dieser durch andere Formen und Gebräuche.

Das Pfadfinderbuch von Dr. Alexander Lion

Nachdem der Stabsarzt Dr. Alexander Lion 1908 zum ersten Mal einen Artikel über Scouting in der Times gelesen hatte, nahm er briefliche Verbindung mit BiPi auf und lernte ihn bald darauf persönlich kennen. Unter Mitarbeit von Maximilian Bayer, Dr.Ludwig Kenner und Heinrich Steinmetz machte sich Lion an die Übersetzung des Buches “Scouting for Boys” welches 1909 unter dem Titel “Das Pfadfinderbuch” herauskam. Lion führte damit auch den Namen Pfadfinder ein. Die tatsächliche Übersetzung von Boy Scout lautet Späherjunge oder Knabenkundschafter. In seinem Vorwort wird die Wortwahl wie folgt begründet: “Das Suchen und Finden des rechten Lebenspfades, das soll die Bedeutung des Wortes Pfadfinder sein”. Das Pfadfinderbuch von Lion behielt den abenteuerlichen und jungenhaften Stil bei, aber – wie die Mehrheit der Gesellschaft – legte er Wert auf eine vormilitärische Ausbildung. Dies war eindeutig eine deutsche Auslegung des Scoutismus. Die Pfadfinder standen daraufhin der Armee sehr nahe, die den Pfadfindern durch Hilfeleistungen unter die Arme griff. BiPi dagegen hatte sich mehrmals gegen militärische Ausbildung und Drill ausgesprochen. Bereits 1914 erschien die 5. Auflage des Buches. Hierbei wurden die militärischen “Wehrkraft” – Tendenzen von Auflage zu Auflage immer deutlicher. Dies war umso bedeutender, da fast allen Gruppen das Buch als Richtschnur diente. (Eine 1911 erschienene Übersetzung von Dr. Karl Hellwig, die sich genau an die englische Vorlage hielt fand praktisch keine Beachtung

Die Bildung erster Pfadfindergruppen

Mit dem Erscheinen des Pfadfinderbuches wurden in einigen süddeutschen Städten, wie in München (1. Münchner Pfadfinderzug) und Bamberg die ersten Gruppen gegründet. 1910 entsteht in Hamburg unter Dr. Karl Hellwig der “Deutsche Späherbund”. Die Gruppe war aber nicht sehr zahlreich und blieb unbedeutend.

Der Deutsche Pfadfinderbund

Am 18.01.1911 wurde der Deutsche Pfadfinderbund (DPB) mit Sitz in Berlin gegründet. Es war eine “behördlich geförderte Einrichtung zur Erziehung brauchbarer und national – bewusster Staatsbürger in Zusammenarbeit mit dem Jungdeutschlandbund”. Erster Reichs – Feldmeister war Maximilian Bayer. Die Gesellschaft machte aus der Pfadfinderbewegung Jugendpflege, so dass der DPB nichts mit der Jugendbewegung und dem Wandervogel zu tun hatte. Bis zum Ende des Krieges war der DPB die führende Kraft des deutschen Pfadfindertums.
Bei Kriegsausbruch soll der Bund rund 2000 Feldmeister und 90.000 Mitglieder gezählt haben. Während des Krieges erhöhte sich diese Zahl noch. Der BDP hatte als Abzeichen nicht die internationale Scoutlilie, sondern die Kommandoflagge der Armeeoberkommandos übernommen. Das nationale Element im Pfadfindertum wurde auf eine rein militärische Ausbildung zum Schutz des Vaterlandes reduziert.

Der Bayrische Wehrkraftverein

Am 12.03.1910 wurde in Bayern mit Unterstützung des Prinzregenten Luitpold der Bayrische Wehrkraftverein (BWV)gegründet. Die schon existierenden Münchner Pfadfinderzüge schlossen sich dem BWV an und brachten pfadfinderische Elemente in den Verein, so dass schon bald das Pfadfindertum die Grundlage der Arbeit war. Der BWV stach weit mehr vom Militär ab, als andere Gruppen, obwohl auch hier viele Generäle die Verantwortung übernahmen. Dies lag aber an der Verbundenheit zwischen Militär, Jugendpflege und Königshaus, die schon immer sehr eng gewesen ist. Der BWV zählte bis Ausbruch des Krieges ca. 10 000 Mitglieder. Auch hier wuchs die Zahl während des Krieges noch an. Mit dem BDP einigte man sich auf einen Kooperationsvertrag und auf einen formalen Beitritt zum Jungdeutschlandbund (Dachorganisation der nationalen Jugendbünde).

Christliche Pfadfinder

Ab 1910 bemühten sich evangelische Organisationen um den Aufbau konfessioneller Gruppen. Erstmals traten 1911 in Stuttgart die Pfadfinderkorps in die Öffentlichkeit. Ebenfalls 1911 wurde die weite Verbreitung der Pfadfinder innerhalb der Nationalvereinigung der evangelischen Jünglingsbünde festgestellt. Einige Pfadfinderzüge beantragten eine Doppelmitgliedschaft beim DPB. Was das national gesinnte und militärische Gedankengut betraf, so unterschieden sich die christlichen Pfadfinder in keiner Weise von all den anderen Gruppen im Land. Anfang 1914 gab es rund 10.000 christliche Pfadfinder in Deutschland.

Die Auswirkungen des 1. Weltkrieges

Insgesamt verhielten sich die Pfadfinder nicht anders als der weitaus größte Teil der Bevölkerung und folgten begeistert dem Ruf zu den Waffen. Es gab Abteilungen, die vorwiegend aus Pfadfindern bzw. Wandervögeln bestanden. Die Fanatisierung der jungen Generation für nationale Ziele hatte ihren Höhepunkt erreicht. Sie wurden in den verschiedensten Bereichen wie z.B. beim Roten Kreuz, bei der Nachrichtenübermittlung,… eingesetzt.
Die Gruppenstunden (“Übungen”) wurden immer offener zur militärischen Wehrübungen. Ihren Idealismus bezahlten die Pfadfinder ebenso wie auch der Wandervogel mit einem hohen Blutzoll. Ein Teil der aktivsten Führer, wie z.B. Reichsfeldmeister Maximilian Bayer, fielen an der Front.
Diese Ausfälle zwangen den BDP und den Wandervogel dazu, auf ein von Baden – Powell vorgesehenes Element der Pfadfinderarbeit zurückzugreifen: “Jugend wird durch Jugend geführt, der Sippenführer arbeitet weitgehend selbstständig.
Angesichts dieser neuen Gegebenheiten begann sich die Grenze zwischen Jugendpflege und Jugendbewegung bedeutsam zu verwischen”.

Die Weimarer Republik

Der verlorene Krieg führte zu Veränderungen in allen Jugendverbänden Deutschlands. Die staatlich getragenen Jugendverbände verschwanden nahezu in der Versenkung. Dies eröffnete neue Möglichkeiten für freie Jugendorganisationen. So wurden nun vielmehr Gruppen von jungen Gruppenführern anstatt von Personen des Militärs geführt, was den ursprünglichen Ideen des Pfadfindertums und auch der Jugendbewegung weitaus näher kam, als dies in den Vorjahren der Fall war. Allerdings kam es in dieser Zeit auch zu den vertrauten “Krankheitsbildern” dieser Zeit. Neugründungen, Zusammenschlüsse und Zersplitterungen waren an der Tagesordnung und so spiegelte diese Zeit in der deutschen Pfadfinderbewegung auch die gesellschaftliche Lage im Kaiserreich wieder. Die Bürger Deutschlands taten sich schlichtweg schwer, mit der neu gewonnen Unabhängigkeit und Freiheit von staatlicher Obrigkeit etwas anzufangen.

Die Zeit der Neugründungen (1918-1925)

Trotz alledem gründeten sich zahlreiche Bünde und Verbände in dieser Zeit neu oder nahmen Ihre Jugendarbeit nach dem Krieg selbständig wieder auf. Allerdings wurden nun militärische Hierarchien und Abzeichen abgelehnt.
Wie bei der Gründung erster Pfadfindergruppen in Deutschland waren auch hier bayerische Organisationen Vorreiter. So wurden hier schon kurz nach dem Krieg die “Neudeutschen Pfadfinder” gegründet, die eben diesen neuen Weg der Jugendbewegung gingen. Doch auch in anderen Teilen Deutschlands gründeten sich Verbände mit ähnlichen Tendenzen (Jungdeutsche Pfadfinderschaft, Ringpfadfinder). Weitaus schwieriger tat sich der DPB in dieser Zeit. Ständig verlor er Mitglieder und verlor ganze Gruppen durch Abspaltungen ehe auch er zu den bündischen Formen fand.
Insgesamt wurden in der Zeit von 1918 bis 1925 zahlreiche Bünde neugegründet, während die Zahl der aktiven Pfadfinder auf dem Niveau der Vorkriegsjahre blieb. Diese Zeit wird oft auch als Zeit der “Erneuerungsbewegung” bezeichnet.

Die Zeit der Zusammenschlüsse (1926-1933)

Nach anfänglichem Misstrauen 1926 schließen sich Pfadfindern und Wandervögeln zum Bund der Wandervögel und Pfadfinder zusammen (BDWuPf). Nach weiteren Beitritten nannte man sich später “Deutsche Freischar”. Sie zählte um 1930 rund 12000 Mitglieder.
1929 gründete sich der “Deutsche Pfadfinderverband” aus zunächst 7 Bünden. Insgesamt waren in dieser Dachorganisation rund 20000 Pfadfinder vereinigt. Er bleib jedoch eine reine Zweckgemeinschaft.

Die Inhaltlichen Veränderungen

Neben der Verjüngung der Führer, den neuen Freiheiten und dem Abwenden vom Militär kam es in der Weimarer Republik zu vielen anderen inhaltlichen Veränderungen. Auch die Entstehung der Idee des bündischen Pfadfinders, d.h. der Schwerpunkt der Pfadfinderei liegt in der Verpflichtung des Bundes, während die scoutistische Form mehr äußere Tätigkeit war in diese Zeit. Durch die Zusammenschlüsse von verschiedenen Jugendorganisationenen entstand eine völlig neues Bild der Jugendbewegung. So vermischten sich viele Elemente, die noch heute eine wichtige Bedeutung im deutschen Pfadfindertum haben. So brachten die Wandervögel z.B. Großfahrten und Pfadfinder Geländespiele mit in die neuen Verbände. Außerdem wurde nun die Kohte als Pfadfinderzelt eingeführt. Auch die Entstehung des Tschais sowie das Singen ist in diese Zeit der Jugendbewegung zurückzuführen.
Die größten und bedeutendsten Veränderung war aber die Einführung des Stammessystem in Deutschland. Erstmals wurde Arbeit in Stufen in einem Stamm praktiziert, was von Baden Powell selbst gar nicht vorgesehen war (auch wenn er die Stufen einführte, dachte er nicht eine Art “Ortsgruppe”, die alle Stufen miteinander verbindet) Eine weitere Neuerung war die Durchführung von Zeltlagern außerhalb des Militärs.

Christliche Pfadfinder

Es entstanden rein konfessionelle Gruppen und Verbände. So 1921 die christliche Pfadfinderschaft Deutschland (CPD) und 1929 die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG). Sie blieben jedoch von geringer Bedeutung.

Der Deutsche Pfadfinderbund Westmark (DPB-W)

Der Deutsche Pfadfdinderbund Westmark spaltete sich 1927 vom 1911 in Berlin gegründeten Deutschen Pfadfinderbund (DPB) ab. Er distanzierte sich damit von bündischen Entwicklungen. Es trat zunehmend ein nationaler Traditionalismus in den Vordergrund, was sich auch in der Verwendung des vom DPB zuvor abgelegtem Bundeszeichens, dem schwarz-weiß-rotem “Schachbrett”- Abzeichen zeigte. Auch wenn man sich weiterhin klar zu pfadfinderischen Grundhaltungen bekannte, näherte man sich dem Jung-Stahlhelmbund in Form einer Zusammenarbeit an und knüpfte so parteipolitische Kontakte. Dies wäre für andere pfadfinderische Gruppen absolut undenkbar gewesen. Doch auch im eigenen Bund traten 1932 wieder vermehrt bündische Tendenzen auf, die schließlich zu einem Übertritt größerer Teile in den Neudeutschen Pfadfinderbund führten.
Trotz dieser parteipolitischen Bindung mit dem Jung-Stahlhelmbund konnten sich die national-konservativen verbliebenen Gruppen der DPB-Westmark nicht vor der Zwangsauflösung 1933 retten.

Deutsche Pfadfinder im Deutschen Reich

Heute wird das Pfadfindertum und die bündische Jugend oft fälschlicherweise als Vorläufer der HJ verschrien, obwohl die damalige Jugendbewegung auch von den Pfadfindern lebte. Der Autonomieanspruch der Jugendbewegung, ganz praktisch gemeint und gelebt als Anspruch auf eigene Gestaltung der jugendlichen Gruppe, war nicht vereinbar mit dem Sozialisationssystem des faschistischen Staates. Nur ein kleiner Teil der Gruppen geriet ins Fahrwasser der NSDAP.
Der HJ war es in der Zeit vor 1933 nicht gelungen in das Rekrutierungslager der bündischen und anderer Jugendgruppen einzudringen. Schüler weiterführender Schulen und junge Intellektuelle mieden die HJ und blieben in ihren angestammten Organisationen.
Einige dieser Organisationen schlossen sich 1933 im sogenannten “Großdeutschen Bund” zum Bündnis gegen die HJ zusammen.

einige Verbände vor der Machtergreifung:

Deutsche Freischar: 12.000 Mitglieder
Deutscher Pfadfinderverband ( mit 7 Pfadfinderbünden): 20.000 Mitglieder
ev. Pfadfindergruppen: 10.000 Mitglieder
DPSG: 3.000 Mitglieder
Gruppen der Bündischen Jugend: 50.000 Mitglieder

1933 schließen sich verschiedene Pfadfinderbünde zum “Großdeutschen Bund” (Deutsche Freischar, DPB, Ringgemeinschaft deutscher Pfadfinder,…) zusammen um einem Verbot durch das NS-Regime zu entgehen. Die HJ besetzt in Berlin mit Waffengewalt die Geschäftsstelle des Reichsausschusses der deutschen Jugendbewegung. Baldur von Schirach übernahm den Vorsitz. Auch das Jugendherbergswerk wird von der HJ übernommen. Damit wurde die Phase der Gleichschaltung bzw- der Ausschaltung der konkurrierenden Jugendorganisationen eingeleitet.

Pfingsten 1933 nehmen 10.000 Jugendliche am Bundeslager des Großdeutschen Bundes teil, an dem sich auch eine neue Führungsspitze bildet. Das Lager wird kurzfristig wegen “zunehmender Beunruhigung der Bevölkerung” verboten und unter anderem durch die HJ gewaltsam aufgelöst.

Mit der Verordnung vom 21.06.1933, der ersten Amtshandlung des neuen Reichsjugendführers, wurde der Großdeutsche Bund rückwirkend vom 17.06.1933 aufgelöst.
In den Folgejahren können sich noch einige Bünde über Wasser halten, bis 1937 endgültig sämtliche Jugendgruppen verboten und aufgelöst sind. Die politischen und an Parteien gebundenen Jugendverbände wurden zusammen mit diesen Verboten aufgelöst (Sozialistische Arbeiterjugend; Kommunistischer Jugendverband), lösten sich selbst auf (Kreuzfahrer; Bibelkreise) oder gingen komplett bzw. nach Empfehlung ihrer Leiter in der HJ auf (Bismarck-, Hindenburg-, und Stahlhelmjugend). 

Die Pfadfinderbewegung wurde auch durch die gewalttätige Gleichschaltung nicht vernichtet, sondern überlebt das 3. Reich im Untergrund.

Gleichschaltung

Gleichschaltung: Ausrichtung aller staatlichen Organe des Reiches und der Länder, der politisch-gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen auf die nationalsozialistische Reichsregierung und ihre Ideologie.

Hier einige Beispiele der Mittel der Gleichschaltung in der Jugendarbeit:

  • Eingliederungen in die HJ
  • willkürliche Verbote
  • Gesetze (Doppelmitgliedschaftsverbot, alle zur HJ,…)
  • Schutzhaft: beliebtes Mittel um ungern gesehene Personen für einige Zeit aus dem Verkehr zu ziehen
  • Übergriffe durch SA und SS
  • Liquidierung von Personen
  • Verbot von Pressefreiheit (Vereinszeitschriften)
  • Versammlungsverbote
  • Verbot von spezifischen Mitteln der Jugendbewegung (Lagerfeuer, Fahrten und Lager, Kluft,…)
  • Einschüchterung
  • öffentliche Ächtung

Christliche Pfadfinder

Durch das Konkordat, das der Vatikan unterschrieb, wurden direkt der Kirche untergestellte Gruppen geschützt. Das traf natürlich auch auf die DPSG zu, die dadurch zu neuer Bedeutung fand. Sie wurde sozusagen zum Sammelbecken für viele von Auflösungen betroffene Pfadfinder. Neben der DPSG gab es nur noch die Älterenschaft der CPD in dieser Zeit.
Die DPSG war vom NS-Regime noch bis 1937 geduldet. Seit dieser Zeit sind christliche Pfadfinder in Deutschland die von den Mitgliederzahlen her bestimmende Kraft im deutschen Pfadfindertum.

Verhaftungen, Verurteilungen, Widerstand

Die Pfadfinder- und Jugendbewegung stand teilweise dem Widerstand sehr nahe. So blieben auch Beschlagnahmungen von pfadfinderischem Schrifttum, Verhaftungen und Verhöre nicht aus.

Bekannte Opfer des NS-Regimes sind z.B.:

  • Brüder Stauffenberg, ehem. bei den Neupfadfindern, hatten eine starke Bindung zur Jugendbewegung – zum Tode verurteilt
  • Fr. Klausing, Adjudant Stauffenbergs, ehem. CPD – zum Tode verurteilt
  • Geschwister Scholl waren in der Jungenschaft aktiv – zum Tode verurteilt

Führer der verschiedensten Bünde wurden verhaftet. (Alexander Lion, Ebbo Plewe,…) Die Verfolgung traf auch jene, die aus pfadfinderischer Überzeugung gehandelt handelten und im Untergrund weiterhin Pfadfinderarbeit betrieben. Viele kamen ins KZ.

Die Nachkriegszeit

Die Gründung erster Bünde und Verbände

Die Wiederaufnahme der Pfadfinderarbeit nach dem Krieg von 1945 bis 1950 begann zögernd und war von der Unterstützung durch die Besatzungsmächte abhängig. Während die westlichen Besatzungsmächte die Wiederaufnahme der Pfadfinderarbeit unterstützten, wurde die Pfadfinderarbeit im Osten nur kurze Zeit erlaubt. Auch jetzt begannen die ersten offiziellen Unternehmungen, neben vielen zunächst unorganisierten Gruppen im ganzen Land, zunächst in Bayern. Seit 1947 war ein planmäßiger, regional verstreuter Wiederbeginn der deutschen Pfadfinderei erkennbar.

Der BDP

1948 wurde auf zwei Konferenzen die Gründung des Bundes Deutscher Pfadfinder (BDP) beschlossen. Der BDP wurde daraufhin 1949 gegründet.
In den Folgejahren erlangte der BDP unter Führung von Kajus Roller große Bedeutung und war in Deutschland die treibende Kraft der interkonfessionellen Pfadfinderei.

Als die Bundesführung des BDP trotz unterschiedlicher regionaler Strukturen einen einheitlichen Bund mit zentralistischen Methoden schaffen wollte, traten Gaue und Landesmarken aus. Des weiteren konnte der BDP ohnehin nicht alle interkonfessionellen Pfadfinder Deutschlands vereinen. So blieb unter anderem der Deutsche Pfadfinderbund (DPB) selbständig. Nach der ersten Welle der Abspaltungen entstanden kleinere regionale Pfadfinderbünde:

  • Freie Pfadfinderschaft (Schleswig-Holstein, 1955)
  • Pfadfinderschaft Grauer Reiter (Schwaben, 1956)
  • Pfadfinderbund Großer Jäger (Nordhessen, 1958)
  • Pfadfinderbund Nordbaden (1960) 

Damit konnten die verschiedenen Richtungen mit ihren gewachsenen Strukturen nicht in einem Bund zusammengeführt werden. 

Nach dieser ersten “Problemwelle” traten in den frühen 60ern weitere Probleme auf. So kam es zu offenen Streitereien unter anderem über das System der Feldmeister. Als Konsequenz daraus wurden die Feldmeister, die vom Bundesfeldmeister bestimmt wurden, abgeschafft. Viele der ehemaligen Feldmeister, darunter auch Kajus Roller, legten daraufhin ihre Arbeit vollständig nieder. Ausdruck für die offensichtlichen Probleme des BDP war auch das Bundeslager 1966 in Forchheim, das trotz hoher Zuschüsse und nach vielfachen Vorwarnungen, mit ca. 100.000 DM Verlust abgeschlossen werden musste und im BDP eine Finanzkrise auslöste.
In dieser Zeit wurde der BDP nicht gestärkt, sondern vielmehr durch innere Querelen geschwächt.
Die ersten Vorzeichen von Veränderungen im BDP im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Situation um 1968 machten es dem BDP nicht möglich aus den Problemen herauszukommen.

Der Ring deutscher Pfadfinderbünde (RdP)

1949 erfolgte die Bildung des “Ring deutscher Pfadfinderbünde” (RdP) mit

  • Bund Deutscher Pfadfinder (BDP)
  • Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands (CPD)
  • Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG)

1950 wurde der “Ring deutscher Pfadfinderbünde” vom Weltbüro der Pfadfinder aufgenommen und erhielt damit Sitz und Stimme in der Weltkonferenz.

Der DPB-Westmark

Der Deutscher Pfadfinderbund Westmark war nach 1945 selbständiger Pfadfinderbund. Die weitere Entwicklung des DPB-W stand in engem Zusammenhang mit dem Zerfall des BDP 1970 (vergleiche DPV!). Zunächst jedoch war der Bund eher konservativ geprägt, was sich auch durch die weitere Verwendung des Schachbretts als Bundesabzeichen zeigte.

Die Protestbewegung '68

Die Flower-Power Bewegung

Ähnlich der Jugendbewegung wollte man sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien und strebte man nach neuer Freiheit. Allerdings war die Bewegung des Flower-Powers, wie der Name schon sagt, von viel mehr Power geprägt. Man versuchte die Ziele mit mehr Nachdruck zu erreichen. Außerdem betraf der Flower-Power weitaus größere Bevölkerungsschichten. Schlagwörter aus dieser Zeit sind z.B. die Studentenbewegung, sexuelle Befreiung, politisches Engagement und außerparlamentarische Opposition. Als ab etwa 1965 die Flower-Power-Welle aus den USA nach Europa herüberschwappte, blieben die Pfadfinderbünde, insbesondere die interkonfessionellen Pfadfinderbünde, in Deutschland natürlich auch nicht verschont.

Der BDP in der Zeit des Flower-Powers

Nach den “kleineren” Querelen in den Vorjahren, kam es nun zu tiefgreifenden Diskussionen im BDP. So wurde offen über die Abschaffung der Kluft diskutiert, wurden Führungsstile in Frage gestellt, Pfadfinderregeln und Versprechen abgelehnt, das System der Sippe angezweifelt und eine stärkere Politisierung (linkes) der Arbeit gefordert.
Die Diskussionen wurden immer mehr sehr emotional und spannungsgeladener geführt. Diffamierungen waren an der Tagesordnung. Insgesamt führte die Art und Weise der Diskussionen zu unversöhnlichen Standpunkten.
Als dann der damalige Bundesführer Moritz von Engelhardt gemeinsam mit radikalen und linken Gruppen gegen das Attentat auf Rudi Dutschke (Führer der Studentenbewegung) in vollständiger Kluft demonstrierte und damit den Bund öffentlich politisierte sowie immer mehr Funktionsträger öffentlich politische Meinung, auch im Namen des BDP, bezogen, war für viele das Maß voll. In den folgenden zwei Jahren jagte ein Bundesthing das nächste, suchte man vergeblich nach Lösungen, ging teilweise weiter auf Konfrontationskurs aber vermochte es nicht alle versöhnlich zu vereinen. Dabei waren drei Gruppen im BDP zu unterscheiden:

  • die Gruppe der Bewahrenden
  • die Gruppe der Verändernden
  • die Gruppe der unentschlossenen Mitte

Die Aufsplitterung

Diese spannungsgeladene Konstellation führte schließlich zum Zusammenbruch des BDP. Die Spaltung des Bundes in eine konservative und eine progressive Gruppierung begann. Im Laufe dieser Phase rückte die Bundesführung auch immer weiter von alten pfadfinderischen Zielvorstellungen ab.
Erschreckt durch diese Vorkommnisse und das Scheitern der Misstrauensanträge gegen (Auszug) die Bundesführung kam es letztlich zur zweiten Welle der Abspaltungen:
1969 Gau Mittelrhein tritt ein in DPB Westmark (später DPBM)
1970/71 Landesmark Hamburg gründet DPB-Nord
Landesmark Nordbaden gründet DPB-Süd
Stämme aus Niedersachsen gründen Verband Deutscher Pfadfinder
Landesmark Westfalen gründet DP Landesmark Westfalen (DP-LmW)
Landesmark Westland gründet IG-Westland

Wegen der offensichtlich politischen Ausrichtung des BDP übte das ‘Boy Scout World Bureau’ Druck auf den RdP aus. Daraufhin trennte sich der Ring vom BDP (15.07.1970). Zurück blieben im BDP diejenigen, die weiter politische Jugendarbeit betreiben wollten. Diese Art der Jugendarbeit behielt der BDP bis heute bei.

Der DPB-Westmark

In dieser Zeit wurde der später langjährige Vorsitzende des Deutschen Pfadfinderverbandes als Führer der Landesmark Rheinland unter fadenscheiniger Begründung aus dem BDP ausgeschlossen. Des weiteren trat der Gau Mittelrhein unter der Führung von Udo Wrede geschlossen mit allen 600 Mitgliedern aus dem BDP aus. Da man es sich nicht zutraute einen eigenen Bund zu gründen, schloss man sich zunächst dem zwar anerkannten, aber vom Formalismus und Äußerlichkeiten bestimmten und von Alt-Semestlern geführten DPB-W an. Damit begann eine kontinuierliche Veränderung durch frische Impulse der neu eingetretenen Pfadfinder ein.

Bis zur heutigen Gegenwart

Der Deutsche Pfadfinderverband (DPV)

Durch den Wegfall des starken BDP in der interkonfessionellen Pfadfinderlandschaft und der starken Splitterung in zahlreiche Bünde wuchs das Bestreben nach einer gemeinsamen Organisationsform, einem Dachverband.
So wurde am 21.06.1970 wird der DP e.V. (später Umbenennung in DPV) von folgenden Verbänden gegründet:

  • Pfadfinderbund Nord (PBN)
  • Pfadfinderschaft Süd (PBS)
  • Pfadfinderschaft Grenzland
  • Pfadfinderschaft Nordmark
  • Verband Deutscher Pfadfinder
  • DP- Landesmark Westfalen
  • IG-Westland

In den Folgejahren traten weitere Bünde, wie z.B. der Deutsche Pfadfinderbund und der DPB-Westmark, in den DPV ein. In den ersten Jahren wurden die Grundlagen der Zusammenarbeit im Verband festgelegt.
Pfingsten 1974 findet das erste DPV-Lager in der Eifel mit 2.000 Teilnehmern statt. Diesem Lager folgten regelmäßige Großlager des DPV mit steigenden Teilnehmerzahlen. Seit 1985 arbeiten DPV und BdP auf mehreren Ebenen zusammen. Ein weiterer Aufnahmeantrag des DPV in den RdP wurde wiederholt abgelehnt. Seither gab es keine weiteren Versuche eigenständig in den RdP aufgenommen zu werden.
Derzeit sind 17 Bünde Mitglied des DPV. Sie vereinen ca. 27.000 Pfadfinder. Der DPV arbeitet nahezu 100%ig ehrenamtlich (nur 2 Mitarbeiter), beruft sich bei der Arbeit auf die Grundlagen Baden-Powells, ist interkonfessionell, bildet politisch (macht aber keine politische Meinung!) und ist ein anerkannter Jugendverband in der Jugenderziehung. Die einzelnen Bünde arbeiten dabei weitgehend autonom.

Die Pfadfinderringe Deutschlands

Nach dem Austritt des BDP aus dem RdP wurde der ebenfalls neu gegründete “Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder” (BdP) neu in den Ring deutscher Pfadfinder (RdP) aufgenommen (10.11.1971). Dadurch scheiterten alle Hoffnungen auf eine geeinigte deutsche Pfadfinderschaft und der DPV zog seinen Antrag auf Aufnahme in den Ring zurück.
Am 13.03.1977 wird der Deutsche Pfadfinder Ring (DPR) gegründet. Die Gründungsverbände sind:

  • Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE)
  • Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands (CPD)
  • Deutsche Pfadfinderverband (DPV)

Seitdem existieren in Deutschland zwei Pfadfinderringe:

  • RdP (vom Weltbüro “anerkannt”, Mitglied im Weltpfadfinderverband)
  • DPR (vom Weltbüro nicht “anerkannt”, kein Mitglied im Weltpfadfinderverband)

Der DPB-Westmark / DPB-Mosaik

Durch intensive Schulungsarbeit und ein attraktives Programm stiegen die Mitgliederzahlen rasant an und hatten einen erhöhten Einfluss des Gaues Mittelrhein zur Folge. 1971 tritt der DPB-W in den DPV ein. In der Folgezeit wurde die Landesmark Rheinland gegründet und eine Geschäftstelle in Köln eingerichtet, die es den Stammesführern ermöglichte die eigentliche Arbeit zu intensivieren. Von nun an konnte man wegen dieser neuen Organisationsstruktur immer weiter den Bund modernisieren und voranbringen. So wurde die veraltete Bundesverfassung 1974 neu formuliert und 1977 mit einer Angleichung der Kluft an den DPV verabschiedet. In der Folgezeit stand die gemeinsame Gestaltung des Bundes, die Idee des Mosaiks, im Mittelpunkt. Gleichzeitig vergrößerte er sich weiter durch das hinzukommen zahlreicher Stämme. Internationale Kontakte wurden geknüpft, andere Länder er-fahren und die ersten Bundeslager ausgerichtet. Es war ein lebendiger Bund geworden, der die Vergangenheit überwunden hat.
Aus dieser Entwicklung wuchs der Wille endgültig die Bundesverfassung von den Relikten der Vorzeit zu befreien und sie der gelebten Form und Wirklichkeit anzugleichen. Diese neue Bundesverfassung (bestehend aus Bundessatzung, Bundesordnung, Bundesurkunde.) konnte 1988 fertiggestellt werden. Man war nicht mehr bereit einen Bund zu vertreten, den man nicht mehr darstellen wollte, und so wurde im gleichen Jahr das alte Schachbrett-Abzeichen durch das neue Bundesabzeichen ersetzt und der “Deutsche Pfadfinderbund Westmark” (DPB-W) in “Deutscher Pfadfinderbund Mosaik” (DPBM) umbenannt.

Die deutschen Pfadfinder und der Weltverband

Wie bereits beschrieben wurde der RdP nach dem 2. Weltkrieg in den Weltverband aufgenommen. Damit war der Großteil der Pfadfinder Deutschlands Mitglied. Dies ist, aufgrund der Vormachtstellung der konfessionellen Pfadfinder, auch heute noch der Fall. Durch den Zerfall des BDP und der daraus resultierenden Neugruppierung, unter anderem der Gründung des DPV, sind heute lediglich ca. 30% der interkonfessionellen Pfadfinder über den BdP Mitglied im Weltverband. Im Laufe der Zeit sind alle Versuche alle interkonfessionellen Pfadfinder unter einem Dach zu vereinen gescheitert.
Dies liegt vor allem daran, dass sich in den vielen kleineren Bünden im Laufe der Zeit eine eigene Bundeskultur entwickelt hat, die heute nicht mehr aufgegeben werden kann. Gerade dies aber wurde in der Vergangenheit von einem Teil der Mitgliedsbünde im RdP gefordert. Mit dieser Begründung wurden alle Annäherungsversuche des DPR abgelehnt. 
Da im Weltpfadfinderverband jedoch nur ein nationaler Verband, in Deutschland der RdP, aufgenommen wird, wäre ein Zusammenschluss als Dachverband der interkonfessionellen Pfadfinder innerhalb des RdP jedoch unumgänglich für eine Mitgliedschaft im Weltverband.
Auch wenn dem Weltpfadfinderbüro die spezielle Konstellation im deutschen Pfadfindertum bekannt ist, ist man nicht bereit einen weiteren Vertreter Deutschlands eigenständig aufzunehmen. Die Verantwortung für eine gemeinsame Zusammenarbeit liegt im jeweiligen Land selbst. Da die Verbände in Deutschland keinen Zusammenarbeit haben ist die Mitgliedschaft für viele Pfadfinder bis heute nicht von der Qualität der Arbeit, sondern von Bürokratie abhängig und in weite Ferne gerückt.

Literatur

  • Hinkel, Paul-Thomas. Die Pfadfinderverbände in der Bundesrepublik Deutschland. Hg. Klaus Hinkel. Baunach: Deutscher Spurbuchverlag, 1990
  • Wittke, Hansdieter. Freiheit in Bindung. Hg. Klaus Hinkel. Baunach: Deutscher Spurbuchverlag, 1990
  • DPB-Mosaik. Wege finden – Wege gehen. Führungshandbuch des DPB-M, Hg. Deutscher Pfadfinderbund Mosaik. Köln: 1989
  • Seidelmann, Karl. Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte. Teil 1, Hannover: Hermann Schroedel Verlag KG, 1977
  • Seidelmann, Karl. Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte. Teil 2.1, Hannover: Hermann Schroedel Verlag KG, 1980
  • DPB-Mosaik. Wege finden – Wege gehen. Führungshandbuch des DPB-M, Hg. Deutscher Pfadfinderbund Mosaik. Köln: 1989
  • DPB-Mosaik. Wo kommen wir eigentlich her… Hg. Deutscher Pfadfinderbund Mosaik.Köln: 1996
  • Raasch, Rudolf. Deutsche Jugendbewegung und deutsche Gegenwart. Hg. Deutsches Institut für internationale Pädagogische Forschung. Frankfurt A.M.: 1984

Stand: 01.06.2021